Rogaining WM – Saariselkä Nordfinnland
Bericht einer Unternehmung am nördlichen Rande Europas – Organisiert von Ferri Gassner im Team mit Peter Bonek unter Teilnahme von Thomas Radon (Material-Sponsor) und Josef Zapletal, ausgeschnapst bei der Weihnachtsfeier 2014, in „jugendlichem“ Überschwang. (Bericht von Josef Zapletal) http://wrc2015.rogaining.fi/
Was war doch gleich Rogaining und welche Regeln sind zu beachten?
Die vorangegangene OL Reise nach Schottland und die Aufarbeitung des privaten und beruflichen Aufgabenstaus ließen nicht viel Zeit für eine intensive Vorbereitung und so mussten wichtige Fragen erst im Zuge der Anreise geklärt und in Erfahrung gebracht werden. Als “Rookie” mit 55 Jahren war es vielleicht auch gut so, denn auf Fragen wie:
Wie geht’s einem nach 15, nach 20 Stunden laufen?
Was macht man in der Nacht draußen?
Warum tut man sich das überhaupt an? gab es sowieso keine Antworten, und vielleicht wollte ich es auch nicht so genau wissen.
Rogaining bedeutet 24 Std. Score-OL in 2er-Teams auf einer 1:40.000 Karte (Gebiet: ca. 40 x 20 km) Die Posten haben eine Wertigkeit von 2 bis 9 – diesmal gab es 68 Posten im Gelände
Und schon standen wir um 9 Uhr vor der Tür in Kiilopä, wogen die in etwa 5 ½ kg schweren Rucksäcke, und erhielten 3 Karten je 2erTeam (M 1:40.000 50x70cm). Allenthalben lag eine gespannte Vorfreude in der Luft. Die 750 Teilnehmer eilten zielgerichtet aber ohne Hektik zu ihren Zelten und begannen am Boden, auf Tischen, auf Kartons mit Pinnadeln und Schnüren mit der Planung der Routen. Auch wir legten unsere vorbereitete Schnur aus und suchten auf der eingeschätzten Strecke von ca. 100 km so viele Posten wie möglich einzusammeln. Wir gingen dabei sehr konservativ vor und vermieden, aus Respekt vor der Aufgabe, die Höhenmeter und Sümpfe, planten zuerst nach Osten auf Wegen zu laufen, wollten dann querfeldein in einem großen Bogen bis zum Einbruch der Nacht die linke Hälfte der Karte abgrasen, um dann in dem Bereich hinter der Landstraße mit einer größeren Wegedichte die Nacht mit einfacheren Orientierungsaufgaben zu verbringen. Eh wir uns versahen war es 11:30 und wir versammelten uns, nachdem wir eine Karte mit der geplanten Route abgegeben, das Notfallhandy in einer Tasche versiegelt hatten und die Chips am Armband mit einer Plombe befestigt wurde, in den Startbereich. In der allgemeinen Aufgeregtheit des nahenden Starts ging die kulturelle Einlage eines joikenden Samen fast unter. High Noon, 12 Uhr, ca. 20 Grad, Sonnenschein, eine Glocke läutet, es geht los. In einer langen Schlange bewegt sich ein guter Teil des Trosses zum ersten Posten am nahen Sattel. 20 Minuten, die ersten 70 Punkte sind im Chip.
Thomas und ich laufen hinunter ins angrenzende Tal und sind bald alleine, das Gelände ist viel flacher als vermutet, die erwarteten Orientierungspunkte kommen immer später als erwartet. (Bis zum Schluss werde ich mich nicht daran gewöhnt haben, dass es 4 mal so lange dauert als auf einer 10.000er Karte). Die beiden nächsten Posten sind einfach, die erste Bachquerung schon komplizierter, wenn man trockene Füße behalten will. Dann geht es, nach einem kleinen Umweg um Wasser im Bach aufzufüllen, ins Gelände. Über das Bachbett finden wir gut zum Posten, am Hang entlang bis in den Sattel und über zwei Hügel nahe zum nächsten Posten. Dann wird es schwierig, weil wir die Senke von oben nicht erwischen. Thomas interpretiert die Steilstufe richtig und wir haben den als schwierigsten eingeschätzten Posten direkt angelaufen. Wir sind guten Mutes und kommen gut voran. In einem langen, flach ansteigenden Tal zum Posten 95 ist das Laufen erstmals etwas zäh und wir machen nach 5 Stunden die erste Rast (15 min). Planänderung auf Grund des guten Fortschritts. In der Folge geht es bergauf und ab. Eine Rentierherde steht malerisch auf Felsplatten im Gegenlicht, erste kleine Krise als wir an einer Quelle das Wasser nachfüllen und wir uns im Zentrum eines riesigen Mückenschwarms wiederfinden. Nach 6 Stunden erste große Rast: diese ist uns jedoch bald vergällt und wir ziehen das Fortlaufen dem Sirren der Mücken vor. Flach geht es gegen Westen, ein Posten am Sumpfrand beschert uns erste nasse Füße, die Sonne steht malerisch und groß am Horizont zwischen den Bäumen. Erste Knieschmerzen am Sehnenansatz, ich ziehe die Gaters aus, die mit dem zu engen Gummi auf den Sehnenansatz drücken. 20 min Sockenwechsel im Mückensturm, es wird finster. Bäume stehen wie Pfeifenputzer schwarz vor dem abendroten Himmel; Asphaltstraße, nun ist es ganz finster. Wir gehen meist, laufen wenn Thomas das Knie beim Gehen zu sehr schmerzt, gehen wenn mein Knie das Laufen nicht aushält. Ein Posten im Sumpf, einer an der Bachbiegung mit missglücktem Sprung über das Wasser: jetzt sind die Schuhe nass. (1Uhr) Eine Stunde später finden wir in der Flussniederung keine Querung. Wir ziehen die Schuhe aus, um zu furten. Plötzlich fällt meine Lampe aus, in der hektischen Betriebsamkeit ist der Kompass auch weg, barfuss suche ich mit der Ersatzlampe den Sumpf ab. Gebe schließlich auf und folge Thomas zum Posten. Gegen das Zittern hilft nur Laufen. Stetig und etwas ferngesteuert geht es weiter. Um 4 Uhr sind wir am großen Fluss, es ist hell, Morgennebel ziehen am Ufer. Die Flussquerung im Knietiefen Wasser läßt die Reste des Wohlbefindens schwinden. Etwas zu dünn angezogen frieren wir etwas und warten dringend auf die wärmende Sonne. Wortlos „eilen“ wir weiter, nehmen noch den Posten 52 mit. Es wird heller, aber die Sonne geht nicht auf. Uns ist kalt. Stehend KO, und unter ständigem Gähnen geht es endlos bergab. Schlafentzugsfolter muss sich so anfühlen. Noch ein Posten, erste Sonnenstrahlen, auf der Straße treffen wir Ferri und Peter. Die paar Sätze und die ersten wärmenden Sonnenstrahlen wecken die Lebensgeister. Eine erste Pause seit 9 Stunden „on the road“. Ohne Mücken! Jetzt geht es fast munter weiter, vielleicht nicht sehr effektiv, aber wieder mit Tempo, zumindest bergab. Wir sind zwar viel zu früh, aber für effektive (Um)planung fehlt uns die Energie. Die Fußsohlen brennen, auch ein Sockenwechsel (nass zu feucht) hilft nicht wehr. Die letzten 2km von dem letzten malerischen Posten am Teich zwischen Felsen, geht es scheinbar endlos durch Birkendickicht ins Ziel. Nach 22 Stunden und 5 Minuten kommen wir glücklich an. 1610 gesammelte Punkte platzieren uns an 194. Stelle von 365 Teams. Peter und Ferri sind schon in der nahen Hütte. Sie haben bei ähnlicher Streckenlänge durch optimalere Planung 1930 Punkte, damit den 120. Gesamtrang, den 38. In ihrer Altersklasse (Männliche Veteranen (sic!)) Sie berichten von einer unfreiwilligen Exkursion hart an den Kartenrand und einem frühen, unfreiwilligem Vollbad Peters im Zuge einer Bachquerung. Auch sie haben ihren ursprünglichen Plan früh geändert und die Sümpfe im Süden gemieden.
Die Füße sind, aus den Schuhen befreit, weiß und verquollen und kaum anzusehen. Sonst sind wir aber in „good shape“ und 1 ½ Stunden Schlaf genügen fürs erste um die die Lebensgeister wieder zu wecken.
Erste Bilanz:
Eine wunderbare Landschaft mit sehr unterschiedlichen Bereichen: Vegetationsfreie Hügel, darunter Zwergbirkenwäldchen im Slalom zu belaufen, offene Wälder mit Blaubeerteppich, flache Föhrenwälder und Sümpfe am Rande der Bäche, die alle Trinkwasserqualität hatten.
Viel Glück mit dem Wetter: trocken und warm (auch in der Nacht ca. 10 Grad, was eine Woche später die Tageshöchsttemperaturdarstellt).
Orientierung: Posten im Wesentlichen an deutlichen Landschaftsmerkmalen mit großen, gut sichtbaren Postenschirmen. Waren bis auf einen Posten in der Nacht dank immer direkt anzulaufen. (Dank Thomas, denn mich beschlichen vor dem Errichen des Postenraums immer schon einmal Zweifel)
Würde ich es noch einmal machen?
– hängt vom Gebiet ab.
– vielleicht nicht unbedingt 24 Stunden
– nur mit Kaffeetabletten und einer Lösung für trockene Füße. (offensichtlich meine private Obsession, denn in den publizierten Videos wird allgemein flott mit Schuhen durchgelaufen)
Eine Woche später:
JA! Einmal! Um es besser zu machen! (Ist das nicht der Motor, der uns als Menschheit antreibt?)
Anbei eine Auswahl an Videodokumentationen:
https://www.youtube.com/watch?v=ipbpryaUSQo&feature=youtu.be
https://www.youtube.com/watch?v=lWdtXkiT9wA
https://www.youtube.com/watch?v=rV7GWCM4zl4
https://www.youtube.com/watch?v=1CMlnyts1No . START
https://www.youtube.com/watch?v=CU845Zd1bmM