Berichte

„Wenn ich Zeit hätte, würde ich nach China mitfahren. Und ich hatte Zeit“

27. Jänner 2020

 

Von 11. bis 21. Jänner 2020 war Frederic in China und hat unser Naturfreunde Wien – Orienteering Team bei der „Beidou Giant Wave-Orienteering-Woche“ erfolgreich vertreten. Hier ist sein Bericht:

Alles begann mit einer Bemerkung von Christine: „Wenn ich Zeit hätte, würde ich auch mitfahren“. Richtig, denke ich mir, und eigentlich hätte ich Zeit. So stand ich dann tatsächlich am 10. Januar um 04:30 am Flughafen Schwechat, bereit zum Flug über Paris nach Guangzhou (Kanton).

In Paris treffen wir die 3 Teilnehmer aus Frankreich und später in China die 2 Engländer und den Australier. Insgesamt eine schlagkräftige 12-köpfige „long nose “ Truppe, die als erste ausländische Delegation an der „Beidou Giant Wave Orienteering“ in 4 Kategorien (Elite M, M21, W21 und Open) teilnehmen wird.

Der erste Lauf, ein Sprint, findet in Tancheng statt, einer kleinen alten Stadt unweit von Longchuan (ca. 280 km NO von Guangzhou) unser Hauptquartier für 4 Nächte. Für uns die“ Long Nose“ ein wenig ungewohnt in einer Stadt mit Gärten, Feldern, Teichen und einem Wirrwarr von Gassen zu laufen. Da sind uns die Chinesen überlegen. Am 2. Tag gab es eine verkürzte Mitteldistanz – in und um ein Dorf gelaufen. Danach besichtigen wir individuell Longchuan, eine kleine unspektakuläre Provinzstadt (ca. 120.000 Einwohner) ohne besondere touristische Attraktion, unsere Jagd nach einem Kaffee bleibt erfolglos.

Nach diesen ruhigen Tagen steigen wir in medias res: am 3. Tag die erste Langdistanz, vor einer fantastischen Kulisse. Aus den angegebenen 5,8km werden am Ende ca. 10km, 300HM und 2 Stunden 07 Minuten (jedoch 19/53). Bei ca. 25 °C Lufttemperatur ist der Kampf durch die Farne (1-1,5m hoch) und die Sümpfe extrem kraftraubend; nach 8 Posten (von 17!) laufe ich schon am Zahnfleisch… Aber wir müssen durch! Wir lernen die dichte Vegetation weit zu umgehen, auf Kosten von Laufkilometern und Höhenmetern. Nach dem verdienten Mittagessen folgt ein Spaziergang im wunderschönen Nationalpark, um die Felsenformationen und die Aussicht zu bewundern.

Am 4. Tag haben wir (nur) einen Sprint in Tancheng wie am ersten Tag. Wir sind lernfähig und die Platzierungen sind besser. Danach folgen 5 Stunden Fahrt nach Zhaoqing, unserem nächsten Quartier für die restlichen Bewerbe. Am 5. Tag laufen wir durch halb tropische Wälder und Kamelien-Plantagen mit vielen Teichen, Wegen und kleinen Hügeln. Sehr schön, mit vielen Routenwahlen, aber die Bahnen sind schwierig und vor allem „very tricky“ im Postenraum. Bei der M21 werden aus den 4,9km dann 8,9km und 190HM (1:12, 23/54). Am Abend können wir noch entlang des Sees und durch die Altstadt spazieren.

Der Tage 6 ist beinahe „erholsam“ mit einem Sprint auf einer Insel in einem sehr verwinkelten Dorf und durch Bananenplantagen. Da sind wieder die Chinesen zuhause. Leider zog ich mir eine kleine Muskelzerrung zu (wegen Überlastung, , man wird alt) und ich musste zum chinesischen Masseur, anstatt mit den anderen den Xinghu Park zu besuchen. Am Abend findet in der Stadt Zhaoquing, in einem Park entlang des Sees, ein Nacht-Sprint-Score OL statt, der v.a. als Werbung für OL zu verstehen ist. Danach folgt die sog. „Culturall Performance“ ,wo jede Mannschaft ein Programm vorstellen soll.

Am 7. Tag wartet die Königsetappe auf uns (aber davon wussten wir zuerst nicht), die zweite Langdistanz. Teilweise schweres Gelände und v.a. viele Hügel, zerstreut überall. Das Spiel besteht aus Hügel hinauf, dann hinunter und wieder hinauf/hinunter zum nächsten, übernächsten, usw. Hügel. Aus der 7,9km werden bei mir 12,8km, 450HM und 2 Stunden 22 Minuten! Trotzdem erlaufe ich den 14. Platz.

Am Abend findet das“ Technology Sharingmeeting“ statt, wo wir unbedingt als Ehrengäste teilnehmen müssen, wenn auch wir todmüde sind und das Bett nach uns schreit. Am letzten und 8. Tag ist ein „middle distance“ auf dem Programm, mit einer Mischung von kleinen Teichen, Hügeln; eine schwierige Vegetation, mit viel Routenwahl im üblichen halb-tropischen Wald.  Ich gebe das letzte und werde mit einen 10. Platz belohnt (trotz Verletzung). Die gesamte Veranstaltung wurde von professionellen Fotografen eindrucksvoll mit zahlreichen Fotos und Videos dokumentiert. In der Gesamtwertung wird Erik erster, Paul (der Australier) dritter, Matthias 40./52., Pascale eine der beiden Französinnnen 6./25, ich 19., Andreas 22. und Fabrice (der Franzose) 28./44. Zu den Platzierungen soll noch erwähnt werden, dass in der W21 und M21 alle laufen, die nicht Elite sind. D.h. wir – die 50+ oder sogar 60+ – schieben das Durchschnittalter dramatisch nach oben 

Nach dem Lauf gibt es die Abschlusszeremonie, Geschenkrunde und das obligate Fotoritual, wo jeder mit jedem fotografiert wird. Als Long Nose sind wir sehr gefragt und alle möchte einzeln oder in der Gruppe mit uns fotografiert werden. Zwei Stunden später fahren wir zu unserer letzten Station nach Guangzhou. Am Abend gehen wir durch die Neu-Stadt bis zum Fuß des Kanton-Towers. Der nächste Tag ist frei und ich profitiere davon um mit Andreas die Altstadt mit ihren kleinen, grünen Gassen und die vielen Märkte zu besuchen und am Abend auf dem Turm (462m) die Stadt mit ihrer Beleuchtung zu bewundern. Am nächsten Tag geht es über Urumqui zurück nach Wien.

Fazit: es waren 11 unvergessliche Tage, multikulturelle Erfahrungen, schöne Läufe, äußerst freundlicher Empfang, unvergessliche Momente mit den chinesischen Läufern (mehrere Generationen, viele Kinder und Jugendliche), Organisatoren, Helfern, ein Einblick in das nicht touristische China, und eine perfekte „all in!“ Organisation von Erik Simkovics. Bleibt nur eine Frage offen: fahren wir nächstes Jahr gemeinsam nach China?

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