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Ein Bauernhof. Ein Mädchen. Ein Massen-Phänomen. Und ein Erlebnis: Jukola 2021

25. August 2021

Ein Bauernhof an einem fiktiven Berg. Sieben wilde Brüder, die ein Mädchen anbeten. Der vielleicht legendärste OL-Staffelwettkampf ist die Jukola. Die Geschichte des Namens ist ebenso beeindruckend wie die Gegenwart der Staffel, die Massen begeistert und bewegt. Die Jukola 2021 wurde heuer am 21. und 22. August in Rovaniemi veranstaltet.  

Auch unser Verein war im hohen Norden Finnlands dabei. Nicht mit einem eigenen Staffel-Team. Anika, Ylvi, Clemens & Timo waren mit Staffeln ihrer schwedischen bzw. finnischen Klubs Teil des Erlebnisses Napapiiri-Jukola 2021.

Napapiiri ist finnisch und bedeutet Polarkreis. Dieser befindet sich nur wenige Kilometer nördlich von Rovaniemi, inmitten einer weiten, wilden und wunderschönen Landschaft. Rovaniemi ist nicht nur die Hauptstadt Lapplands, sondern auch die offizielle Heimat des Weihnachtsmannes. Der nette, ältere Herr mit dem weißen Bart verfügt über ein äußerst großzügiges Wohnzimmer. Rovaniemi ist mit 8000km² flächenmäßig die größte Stadt Europas, ist fast 20 Mal so groß wie Wien.

Das weitläufige Areal der Trabrennbahn Mäntyvaara am Stadtrand von Rovaniemi ist das Zentrum der Jukola 2021. Der wahrscheinlich größte Orientierungslauf-Wettkampf der Welt besteht traditionell eigentlich aus zwei Staffelbewerben. Die Männer laufen die „Jukola“ (sieben Teilstrecken), die Frauen die „Venla“ (vier Teilstrecken). Insgesamt verbringen 30.000 bis 40.000 Personen die Nacht im Wettkampfzentrum. Zusammen mit den Teilnehmern auch viele Betreuer, Familienmitglieder und Zuschauer. Das finnische Fernsehen überträgt live.

Bei der Premiere der Jukola 1949 rannten 41 Staffeln durch die finnische Wildnis, heuer stehen mehr als 1200 Startläufer in der Arena. Es ist eine Geschichte mit Geschichte. Geschrieben wurde sie vom finnischen Nationaldichter Aleksi Kivi. In seinem Roman „Seitsemän veljestä“ („Die sieben Brüder“) leben die sieben wilden Titelhelden auf einem Bauernhof an einem fiktiven Berg. Der Bauernhof hat den Namen „Jukola“. Das inspirierte in den 1940ern die Gründer des OL-Staffel-Wettkampfes Jukola. 

Die Männer-Teams werden um 23.00 Uhr in den Wald geschickt. Die kürzeste Strecke ist heuer 8,9 Kilometer lang, die längste 16,6 Kilometer. Die ersten 5 Läufer sind in der Dunkelheit unterwegs, der 6. erlebt die Dämmerung und der 7. beendet die 88 Kilometer lange Staffel-Strecke zur Frühstückszeit. Einer der mehr als 1200 Startläufer, die mit ihren Stirnlampen wie ein riesiger Kometenschweif durch den Wald rasen, ist Clemens. Er beginnt für den Hauptstadtclub Helsingin Suunnistajat 3, der 15 Teams (!!) ins Rennen schickt. Clemens beginnt gut und schnell, ist bei den ersten Zwischenzeiten in den Top 40, hat dann gesundheitliche Probleme und muss aufgeben. 

Timo ist erst an der Reihe, als es schon wieder hell ist. Er ist Schlussläufer des schwedischen Vereins OK Denseln. Als 63. macht er sich auf die Reise, als 57. bringt Timo sein Team ins Ziel und kann den stimmungsvollen Zieleinlauf genießen.               

Timo ist auch der Name eines der 7 Brüder im finnischen Nationalepos „Seitsemän veljestä“. Eines haben sie gemeinsam, sie alle beten das gleiche Mädchen an, es heißt „Venla“. Die Venla wird am Nachmittag vor dem Start der Jukola gelaufen. Erstmals gab es die Frauen-Staffel 1978. Die Teilstrecken 2021 sind zwischen 5,4 und 9,1 Kilometer lang. Das schnellste der 1000 teilnehmenden Quartette wird die 30 Kilometer in rund 3 Stunden absolvieren. Sehr schnell ist Anika als Startläuferin des schwedischen Klubs Linköping OK. Sie setzt sich bei der Hetzjagd durch Wälder und Moore zwischen Fichten und Kiefern in der Spitzengruppe fest. Anika verliert nur 1 Minute auf die Spitze und kommt als 12. zur Übergabe. Ylvi debütiert bei der Venla für Lahden Suunnistajat, auch sie darf die Startstrecke laufen und dieses Massen-Phänomen hautnah erleben. Ylvi beendet die 7,3 Kilometer lange Strecke auf Platz 42, dreieinhalb Minuten hinter Anika. Sie waren nicht nur dabei, sondern mittendrin.

Knapp hinter Ylvi übergibt dann Emily Kemp als 49. an die zweite Läuferin ihres Teams Angelniemen Ankkuri. Die kanadische Eliteläuferin hat nach ihrem Einsatz bei der Venla aber nicht genug. Um 23 Uhr läuft sie mit Clemens und 1200 anderen auch noch die 13Kilometer lange Jukola-Startstrecke, die sie als 331. beendet. Mit Stirnlampe (sicher) und einem Grinsen im Gesicht (wahrscheinlich).  

Homepage – Jukola & Venla 2021