Berichte

Swiss O-Week 2023: Ein R(h)einfall ?

Die beiden Schweizer Schiorte Flims und Laax waren die spektakuläre Kulisse der Swiss Orienteering Week [SOW] vom 15. bis 22. Juli 2023. Die Veranstalter versprachen „OL und Ferien vom Feinsten“. Das „Feinste“, das Laufen im hochalpinen Gelände weit über der Baumgrenze bis in die Gletscherregion, wurde für einige zum „Schlimmsten“. Genuss und Gefährdung lagen in dieser Woche eng beisammen. Und unser Verein war mit einer 37-köpfigen Abordnung unter den 4.500 OL-Urlaubern mittendrin.

Vieles in der Schweiz ist sehenswert. Sowohl der Rheinfall nördlich von Zürich als einer der drei größten Wasserfälle Europas, als auch die Rheinschlucht 500m unterhalb von Flims und Laax belegen in der Hitparade der eidgenössischen Touristenattraktionen gute Plätze. Ein Besuch des Schweizer „Grand Canyons“ ist nur ein guter Grund, um nach Flims zu reisen. Ein anderer ist: Einige der OL-WM-Bewerbe in der Arena miterleben und die 6 Etappen der SOW selbst laufen. Und wer eine Reise macht, so wie Claudia, Peter & Erik, Ferri; Renate, Axel & Corinna; Christine & Erich; Jana, Samuel, Adam & Albert; Natalia & Cleo; Hannes, Sabine & Fabian; Eva-Maria, Günter & Maria; Anton, Sandra & Wolfgang, Annina, Lauri, Vicky & Lucia; Dirk, Jörgen & Jonas; Ernst & Emanuel; Babsi, Boris, Ylvi & Maya, hat einiges zu erzählen.    

E1: „Die Klassische“ aka „die Schwierige“

Sonntag: Eröffnet wurde die SOW im legendären Flimser Wald. Die 1. Etappe ließ alle auf und in den Spuren der WM-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer laufen. Und suchen. In diesem Bereich des ol-technisch und physisch fordernden Bergsturzgebietes rund um den wunderschönen Caumasee lief Jannis einen Tag zuvor zu Mitteldistanz-Bronze. Alles war gut.

E2: „Die Panoramische“ aka „die Neblige“

Montag: Die 2. Etappe führte uns mit Seil- und Sesselbahn auf 2260m ins hochalpine Gelände rund um den Crap Sogn Gion hinauf. Es dauerte, bis sich der dichte Nebel, durch den sich alle mit früheren Startzeiten kämpfen mussten, im Verlauf dieser verkürzten Langdistanz lichtete und wir das herrliche Panorama genießen konnten. Schauen und/oder Laufen, in beiden Fällen blieb so manchem die Luft weg.

E3: „Die Coole“ aka „die Abgebrochene“

Dienstag: Alle freuten sich auf den vermeintlichen Höhepunkt der Woche. Höhepunkt in Metern über dem Meer und auch aus OL-Sicht. Am Fuß des Vorab-Gletschers war eine Mitteldistanz geplant. Mehrere Probleme führten zum Abbruch. Der letzte Abschnitt hinauf zum WKZ auf 2.600m musste mit einer – offensichtlich – in die Jahre gekommenen 6er-Kabinenbahn absolviert werden. Große technische Probleme und der starke Wind sorgten für viel Stillstand und wenig Bewegung. So konnten nur ein Bruchteil der 3.000 Zugelassenen auf dieser außergewöhnlichen OL-Karte mit der Hauptfarbe „felsgrau“ laufen. Da auch die anderen Seilbahnen wegen des mittlerweile tobenden Sturmes immer wieder eingestellt werden mussten und dann auch noch ein Baum auf das Seil des Arena Express nach Flims fiel, dauerte auch der Transport ins Tal noch viele lange Stunden. Für einige endete er mit einer Hubschrauber-Seilbergung aus der Gondelkabine.  

E4: „Die Trügerische“ aka „die Herrliche“

Der Ruhetag am Mittwoch brachte gutes Wetter, wurde vom Veranstalter aber nicht genutzt. Auch am Donnerstag gab die Sonne den Ton an und den Blick auf die umliegenden 3.000er-Gipfel wolken- und problemlos frei. Und das war gut so, denn das WKZ der 4. Etappe lag beim Berghaus Nagens auf 2.200m. Auf dem Weg zum überhöhten Start hatten alle ihr Notfall-Pfeiferl mit. Gepfiffen haben aber nur die „Murmelis“ am Wegesrand. Das Laufgebiet dieser Langdistanz führte über herrliche, gut belaufbare und weitläufige Almflächen bis auf 2.400m hinauf. Wir mussten geschickt zwischen zahllosen Steinen und kleinen Felswänden, zwischen Tümpeln und Wasserlöchern, zwischen Kuppen und Kühen navigieren. Sprudelnde, tief eingeschnittene Wildbäche und große Schluchten sorgten für weitere spektakuläre Abschnitte. So haben wir uns das vorgestellt. Herrlich.

E5: „Die Tektonische“ aka „die Gefährliche“

Freitag: Dann kam es so richtig schlimm. Dann kam die 5. Etappe. Wieder lag das Wettkampfzentrum beim Berghaus Nagens. Der Wetterbericht war schlecht, also entschied sich man sich, alle Startzeiten um eine Stunde vorzuverlegen. Um 8 Uhr starteten die ersten Läuferinnen und Läufer in diese Mitteldistanz. Das Wetter war nicht gut und wurde noch schlechter. Die Etappe endete im Chaos: Ylvi war kurz nach neun Uhr beim Start. Auf einem Bergrücken war man Regen und Hagel (waagrecht), kalter Luft (5 Grad) und Wind (heftig) gnaden- und schutzlos ausgeliefert. Wärmedecken (!) wurden ausgeteilt, abgebrochen wurde noch nicht. Einige drängten und zwängten sich zu viert (!) in eine MobiKlo-Kabine. Andere legten den großen Start-Aufsteller um und krochen in die enge, dreieckige „Röhre“, um sich zu schützen. Wer startete, hatte es auch nicht viel besser. Arme, die in kurzen Ärmeln steckten, verfärbten sich rot und wurden nach wenigen Minuten extrem kalt. Durch Regen und Hagel wurden auch Steine, Felsen und der Almboden so rutschig, dass viele Stürze passierten. Auch Ylvi (glimpflich) und Anton (Rissquetsch-Wunde am Oberschenkel, mit 4 Klammern medizinisch versorgt). Zitat: „Es war brutal“.

Im Wettkampfzentrum herrschte totales Durcheinander. Die Erste Hilfe-Station war heillos überfordert, viele Läuferinnen und Läufer waren unterkühlt, andere verletzt. Aus dem Tal mussten Rettungswägen zur Verstärkung angefordert werden. Gegen 10 Uhr wurde die Etappe abgebrochen. Endlich, aber spät. Da auch die Seilbahn immer wieder wegen des Windes angehalten werden musste, saßen Hunderte im Berghaus Nagens fest und kamen erst gegen Mittag nach Flims zurück, stiegen erleichtert aus den Gondeln.   

E6: „Die Genussvolle“ aka „die Hmmm?“

Samstag: Zum Abschluss durften wir dann noch das WM-Staffelgelände kennenlernen. Einige meinten: Danke dafür, hätte gar nicht sein müssen. Denn das Prinzip dieser verlängerten Mitteldistanz war schnell durchschaut: Rauf-Runter. Rauf-Runter. Wer im kreativen Veranstalterteam, auf die Idee kam, dieser Etappe den Beinamen „Die Genussvolle“ zu geben, ist nicht bekannt. Wie auch niemand, der es genießt im steilen, wilden Wald bergauf zu krabbeln.

Es war eine außergewöhnliche Swiss Orienteering Week in Flims & Laax. Und eine mit einer skurrilen Schlusspointe: denn am Ende dieses 6-Tage-Laufes kam man mit 3 Ergebnissen in die Gesamtwertung.

Neben den sportlichen Erlebnissen war es vor allem eine Woche mit vielen Berg-Abenteuern unterschiedlichster Art. Eine Woche mit weniger Abenteuer und mehr OL wäre wünschenswert gewesen. Aber wie wechselhaft und schwer berechenbar das Wetter im Hochgebirge ist, hat der Studiengang SOW eindrucksvoll gezeigt. Am Rheinfall nahe der Grenze zu Deutschland, wäre das nicht passiert.