Berichte

Marinas Reise in die Vergangenheit

Schuld ist ein Schotte. Peter Molloy verbrachte vor 4 Jahren ein Auslandssemester in Tiflis. Der junge, britische Nationalkaderläufer hat damals in Georgien erste Orientierungslaufwettkämpfe und Trainingseinheiten durchgeführt, hat erste Karten gezeichnet. Der „weiße Fleck“ Georgien wurde zu einem „weiß-orangen“ Teil der OL-Weltkarte. Der Sakartvelo Orienteering Club lädt seither jedes Jahr zu zahlreichen Läufen nach Tiflis ein.  Von 21. bis 23. März 2025 ist auch Marina einer dieser Einladungen gefolgt:  

Meine kurze Reise nach Georgien begann eigentlich schon vor 1 Jahr, zumindest in Gedanken. Da habe ich zufällig eine interessante Werbung gesehen, und sofort hat mein Herz begonnen, schneller zu schlagen.  Georgien ist nicht nur ein Teil meiner persönlichen Geschichte (ich bin ja in der Sowjetunion geboren, und mein Vater hat in der Nähe von Tiflis seinen Armeedienst abgeleistet), sondern auch ein neues interessantes (Orientierungslauf-)Land für mich. Ich bin zwar nicht so eine OL-Länder-Sammlerin, wie unser Lolli, aber solche „unbekannte“ Destinationen interessieren mich grundsätzlich mehr als die üblichen Touristen-Mekkas. Nachdem ich vor ein paar Monaten von Lolli erfuhr, dass er bei diesen Läufen schon 2024 mit viel Begeisterung dabei war, ist mir heuer klar geworden: ich will hin. Ich wäre auch allein hingeflogen. Zum Glück konnte ich aber Matthias Pöll vom OLC Wienerwald für meine Idee begeistern. Und so traten wir diese Reise gemeinsam an. Vor Ort in Tiflis kamen wir rasch ins Gespräch: die meisten Menschen in Georgien sprechen nach wie vor sehr gut russisch und eigentlich fast alle auch englisch.

Die Lage ist schön bis atemberaubend. Nur rund 100 Kilometer von den schneebedeckten Gipfeln des Kaukasus entfernt liegt Tiflis am Fluss Kura. Rund um die Millionenstadt gibt es viele,  bewaldete Hügel. Es ist fast ein bisschen wie in Wien. Die Altstadt ist sehr schön, essen kann man gut und billig und die Hotels sind auch von guter Qualität. Meine Eindrücke über das Land, die Menschen und den OL dort waren sehr positiv. Natürlich fühlte ich mich zusätzlich wegen meiner Russisch-Kenntnisse fast wie zu Hause. Politik war nie ein Thema in den Gesprächen oder bei meinen Erlebnissen. Friedliche Demos, freundliche Menschen unabhängig von ihrer Herkunft – das war bemerkenswert. Das Stadtbild wurde auch von sehr vielen, auch freundlichen und gut ernährten Straßenhunden und Katzen, sowie Kühen (teilweise auch auf den befahrbaren Straßen am Land unterwegs) und Schafen, die von Behörden und Menschen versorgt werden, geprägt.

Die Natur ist atemberaubend. Das Kaukasus-Gebirge, wilde Bergflüsse, klare Seen, weitläufige Parks in Tiflis, alles wunderbar. Das Land, seine Geschichte und seine Kultur pur zu erleben, kann ich nur empfehlen. Am besten mit einem privaten Reiseführer.

Mein persönliches Highlight war allerdings die Reise in Vergangenheit: durch viel Reden mit Menschen und Hilfe der Einheimischen habe ich die Militärkaserne im abgelegenen kleinen Ort Gardabani gefunden, wo mein Vater gedient hat. Genauer gesagt habe ich das gefunden, was von der Kaserne der ehemaligen sowjetischen Armee übriggeblieben ist. Dieser kleine Ausflug bleibt ewig in meiner Erinnerung.

Der Chef des lokalen Clubs, Ian Sundqvist, hat uns auch bei der Reiseorganisation (Flug- und Hotelempfehlungen, Touristenprogramm) sehr unterstützt. Dafür und für tollen Läufe Ende März 2025 möchte ich mich bedanken. Ich durfte supercoole OLs in Georgien in und um Tiflis laufen.  Erstens mit Aha-Erlebnis beim Nacht-Sprint in einem Park: praktisch alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, ich inklusive, sind durch eine Sperrzone  gelaufen. Es wurde beschlossen, niemanden zu disqualifizieren. Sonst gäbe es praktisch kein Ergebnis. Zweitens mit Monster-Langdistanz bei Schneeregen und +4 Grad. Die Laufzeit betrug mehr als 100 Minuten, dabei waren rund 600 Höhenmeter zu laufen. Ein paar davon davon lief ich sogar außerhalb der Karte. Drittens mit der witzigen Mitteldistanz mit atemberaubenden Aussichten. Viele friedliche Kühe, Ziegen und Schafen prägten dieses Rennen ebenso wie die weniger friedlichen Dornen. Ich war so zerkratzt, dass ich erst und nur im Krankenwagen das Blut stoppen konnte. Der Lohn waren liebevoll gestaltete Preise. Alle Rennen kann man auf Livelox „nachschauen“.  

Das zarte Pflänzchen wächst und gedeiht weiter in Georgien. Im Jahr 2025 plant der Sakartvelo Orienteering Club insgesamt 8 neue Karten zu zeichnen, darunter 3 in Batumi am schwarzen Meer. So will man die Reichweite des Orientierungslaufs über die Hauptstadt hinaus erweitern. Man arbeitet auch eng mit der OL-Community in Aserbaidschan zusammen. Im Spätherbst dieses Jahres lädt der Club alle zur Sakartvelo International O-Week nach Tiflis ein. Die Teilnehmer können sich zwischen 5. und 9. November 2025 auf zwei spannende Sprints durch historische Viertel und zwei technische Mittelstreckenrennen in den Bergen des Umlands auf frisch kartiertem Gelände freuen.

Das wär doch was! Ich kann jedenfalls begeistert bestätigen: Georgien ist eine Reise wert. Ich genoss unglaublich interessante Sightseeing-Touren, sehr gutes Essen (ein Muss: „Maultaschen“ Hinkali und „Käsebrot“ Hachapuri) und sehr nette Menschen. Kurz gesagt, beziehungsweise geschrieben: alles sehr empfehlenswert. Oder noch kürzer gesagt, beziehungsweise geschrieben: „Madloba, Sakartvelo!“ würde ich sagen: “Danke, Georgien!“