Berichte

Wer hier auf dem „Holzweg“ ist, hat seine Sache gut gemacht

17. März 2022

 

Für die einen bedeutet Karst „steiniger und unfruchtbarer Boden“. Für die anderen bedeutet Karst „großartiges und anspruchsvolles Orientierungslaufgelände“.

1000 von den anderen, darunter 26 Wiener Naturfreunde, reisten ins Karstgebiet Sloweniens, um am traditionellen Lipica Open vom 12. bis zum 16. März 2022 teilzunehmen. 

Das slowenische Karstplateau ist 40 Kilometer lang und 13 Kilometer breit, liegt 350-400m über dem nahen Meer. Der Boden ist definitiv steinig. Manchmal mehr, manchmal noch mehr. Steinig und löchrig. Wasser sickert sofort durch unzählige Ritzen, Spalten, Löcher und Schächte in die Tiefe. Wir sehen das  Wasser nicht, aber es ist da. Irgendwo unter uns sucht sich der Fluß Reka – der bei Skocjan im Untergrund verschwindet und durch die berühmten Höhlen des Ortes rauscht – seinen Weg Richtung Westen. Der genaue Verlauf der 35 unterirdischen Kilometern ist bis heute nicht gänzlich erforscht. Dieses Karstphänomen ist ebenso ein Rätsel, wie für so manchen das ungewöhnliche und äußerst anspruchsvolle OL-Gelände.

Der Großteil der Orientierungsläuferinnen und -läufer aus 19 europäischen Nationen ist nur bei den beiden ersten Etappen dabei. Das Lipica Open ist für einen Wochenend-Ausflug nah genug. Der Spaß beginnt am Samstag mit einer Langdistanz in Kažlje. Gleich nach dem Start tauchen wir ein ins Labyrinth aus Mauern, Dolinen mit steinigem Boden und Dolinen mit Grasboden. Der Wald ist selten aufgeräumt und Wege sind ein noch selteneres Gut, dafür werden wir von so manchem dornigen Dickicht gebremst. Willkommen im Karst.  

Nach den Anstrengungen des Wettkampfes suchen viele Erholung während einer kurzen „Konzertreise“ ins sehr nahe Triest. Zu hören gibt es das sanfte Schlagen der Wellen an die Kaimauern, das laute Schreien der Möwen im wolkenlosen Himmel und das vertraute Klimpern von Kaffeegeschirr bei einem Cappuccino mit Meerblick.

Foto: Auf einen Sprung in Triest vorbeigeschaut

Am Abend speist ein Großteil der Wiener Naturfreunde-Abordnung gut, ausgiebig und gemeinsam in Divača, nur wenige Meter vom Hotel entfernt, das von Claudia perfekt organisiert & reserviert wurde.

Die zweite Etappe am Sonntag ist eine Mitteldistanz nahe der Ortschaft Dutovlje. Weniger Steine und mehr Wege lassen immer wieder höheres Tempo zu. Aber auch hier ist volle Konzentration und ständiger Kartenkontakt gefragt, auch hier ist man schnell „verloren“.     

Stichwort schnell: Viele aus unserem Verein tragen sehr schnelle (Karst-)Plateau-Schuhe an ihren Füßen: Marina [D45-], Claudia [D50-] und Wolfi [H50-] gewinnen die Wochenend-Wertung mit jeweils 2 Etappensiegen. Ferri und Peter [H50-] liefern sich ein extrem enges Duell. Ferri ist am Samstag der Schnellste, Peter am Sonntag. In der Wochenend-Wertung geht der Sieg an Ferri, nach 74 Laufminuten ist er 12 Sekunden schneller als Peter.

Zur Belohnung gibt es die traditionellen Lipica Open-Holzmedaillen. Wer hier auf dem „Holzweg“ ist, hat seine Sache gutgemacht. So wie auch Roland [H60-] und Vera [D55-], beide sichern sich in der Wochenend-Wertung Holz aus Silber. Großartig läuft auch Erik [H21E]. In seinem ersten Elite-Jahr belegt er im Feld der 80 Athleten den – zwar nicht mit einer Medaille aber dennoch – ausgezeichneten 5. Platz.

Foto: edles Holz

Die Genannten haben alle Lipica-Erfahrung. Ganz im Gegenteil zu unseren Jüngsten, die sich zum ersten Mal in diesem schwierigen Gelände zurechtfinden müssen. Aber Anna, Annina, Cleo, Katharina, Maria, Mika, Sona & Lauri bestehen das große Abenteuer. Aufgeben ist keine Option. Alle finden alle Posten.

Wer am Montag und den nächsten Tagen nicht in die Schule, auf die Uni oder an seinen Arbeitsplatz muss, hat die Möglichkeit, bis Mittwoch drei weitere Etappen zu genießen.   

Montag früh ist es ein paar Grad wärmer. Wir bezahlen den leichten Temperaturanstieg auf 8 Grad in Bewölkung. Aber kurz bevor wir den Waldsprint mit vielen Posten auf kleinem Raum und vielen Richtungswechseln genießen dürfen, mischt sich – wie auch am Wochenende – die Sonne wieder unter die Teilnehmer. Der Maßstab (1:5000) ist ebenso groß wie der Spaßfaktor. Roland [H60-] gewinnt, Christine [W50-] & Boris [H50-] laufen auf Platz 2, Vera [D55-] wird Dritte.

Am Dienstag wird es dann wieder ernst. Unweit des Gestütes Lipica laufen, nein „stolpern“ wir eine verkürzte Langdistanz. Das Gelände ist flach, aber sehr steinig und durchsetzt von alten Mauern, von Dolinen aller Größen, von vielen Blockfeldern. Der Wald ist meist grün. Die Zusammenfassung in 2 Worten: extrem schwierig. Nicht für Siegerin Vera [W55-] und Christine [W50-], die wieder Zweite wird.

Und dann ist er auch schon da, der Schlusstag: Auf der Karte Prelože dürfen wir uns kreuz und quer über einen sanften Hang mit vielen Dolinen und den typischen alten Steinmauern bewegen. Durchaus flott, denn der Boden ist nur an manchen Stellen wirklich steinig. So fühlt sich „Karst-Genuss“ an. Für unseren letzten Podestplatz sorgt Boris [H50-] als Zweiter.

Wer beim Lipica Open war, hat einiges zu erzählen. „Karstige“ Erlebnisse sprudeln aus einem heraus, so wie die Reka aus dem Karstplateau an dessen Westrand. Nach kurzer Tageslicht-Reise mündet die Reka nicht weit von Triest dann ins Meer. Ende der Geschichte, in jeder Hinsicht.   

Fotos

Ergebnisse – Wochenend-Wertung

Ergebnisse – 5-Tage-Wertung

Zwischenzeiten