Grande Amore
Du liebst den Süden? Du liebst sommerliche Temperaturen im Herbst? Du liebst wunderschöne Landschaften? Du liebst geschichtsträchtige Orte? Du liebst freundliche Menschen? Du liebst gutes Essen & Trinken? Du liebst das Leben? Du liebst Italien? Du liebst das Leben in Italien? Dann ab zum Toskana Orienteering Classic-Viertagelauf. Die heurige Ausgabe fand von 31. Oktober – 03. November 2024 in und um Prato statt. Fast 20 Läuferinnen und Läufer unseres Vereines waren dabei. Und haben es geliebt.
Italienerinnen und Italiener lieben das Leben. Locker und entspannt soll es sein, ein wenig luxuriös, voller Lebensfreude, Spaß und Genuss. Auch wir – Elisabeth & Matilda, Natalia & Cleo, Renate, Axel & Corinna, Sabine, Hannes & Fabian, Marina, Anna, Serge & Tim, Christine, Sofia, Hannes & Erich sowie Babsi & Boris spüren & erleben auf unserer Reise all diese Zutaten jener Lebensart, für die man sich in Italien sogar einen eigenen Begriff patentieren hat lassen: la dolce vita.
Das sportlich-süße Leben beginnt bei Dunkelheit. Beim Prolog des Toskana Orienteering Classic 2024 machen wir die Nacht zum Tag und kommen erstmals mit der Geschichte der Region in Kontakt. Lorenzo der Prächtige aus der berühmten Familie Medici hat im 15. Jahrhundert die Pläne für den Park Cascine di Tavola südlich von Prato mit Feder & Tinte auf Papier gezeichnet. 600 Jahre später testen wir hier über die Sprintdistanz unsere Stirnlampen. Sowohl in dem kleinen Waldstück als auch auf den schnellen Wiesenpassagen mit vielen Einzelbäumen, Dickichten und Baumgruppen empfiehlt sich die Kontrolle aller Postennummern. Wer nur stichprobenartig kontrolliert riskiert einen Fehlstempel. Und das liebt niemand.
Italienerinnen und Italiener lieben ihren Kaffee. Wir und Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt aber auch, nämlich so sehr, dass wir uns auch die italienischen Wörter dafür dauerhaft ausgeborgt haben. So sitzen wir also in der Sonne und genießen Cappuccino, Espresso, Latte und mehr. Im Idealfall vor dem Rennen und nach dem Rennen. In Prato ist dieser Idealfall rund um die 1. Etappe eingetreten. Unser Tisch steht nur 25 Meter vom letzten Posten auf der Piazza Santa Maria entfernt. Nicht wenige der rund 750 Läuferinnen und Läufern wählen die Route durch den Gastgarten, mit der sie nicht nur Milchschaum aufwirbeln. Kaffeehaus-Kultur trifft Sport-Spektakel.
Der Sprint im historischen Zentrum von Prato ist technisch nicht sehr anspruchsvoll, Tempohärte ist gefragt. Wer kann, blickt über den Kartenrand hinaus und lenkt sich touristisch ab. Wir starten nahe der Basilika Santa Maria, laufen an der Cattedrale di Santo Stefano vorbei, passieren Museen und Galerien und schon liegen wir nach dem Zielsprint erschöpft im Schatten der mächtigen, alten Mauern des Castello dell’Imperatore. Der Spaß ist schnell vorbei, in manchen Kategorien schon nach 10 Minuten. Gut, so ist unser Tisch im Café noch frei und der frische Kaffee noch heiß. Wir lieben Nachmittage wie diese.
Italienerinnen und Italiener lieben ihre Familien, lieben ihre Geschichte und lieben die Geschichte ihrer Familien. Die allgemeine italienische Geschichte kommt in der Toskana jedenfalls mehr oder weniger an jeder Ecke um dieselbe. Der schiefe Turm von Pisa und die geraden, aber ebenso mittelalterlichen Türme von San Gimignano sind nah. Die runde Piazza del Campo von Siena auch. Der eckige Palazzo Vecchio und die Uffizien von Florenz sind sogar noch näher. Wem dort trotz Nebensaison zu viel los ist, dem kann auch in der Renaissancestadt Lucca oder in Pistoia geholfen werden. Die toskanische Kulturhauptstadt besuchen wir am Nachmittag nach der 2. Etappe:
Das Wettkampfzentrum liegt im naturbelassenen Gastgarten einer Osteria. Herrlich. Der Weg zum Start der Mitteldistanz in Travalle ist ganz schön lang. Wie lange genau, darüber gehen die Meinungen auseinander. Laut Bulletin sind es 2 Kilometer. Aber das ist nur eine Meinung. Laut GPS sind es über 50% mehr. Keine Diskussionen gibt es über folgenden Umstand: 15 Minuten Laufzeit ist zu kurz. In manchen Kategorien wurde im steinigen Zypressenwald mit vielen Mountainbike-Trails und einigen alten Gräbern aus der Etruskerzeit vom Bahnleger offenbar statt der Mitteldistanz ein Sprint geplant. Spannend ist auch, dass das Ziel laut Karte im „olivgrünen“ liegt. Aber irgendwie stimmt das sogar: auf den letzten Metern stehen alte Oliven-Bäume Spalier. Wir lieben einen Zieleinlauf wie diesen.
Italienerinnen & Italiener lieben ihr Essen und verbringen dementsprechend viel Zeit damit. Aperitivo, Antipasti, Primo Piatto, Secondo Piatto, Dolci. Die ohnehin schon beeindruckende Mindestanzahl der Gänge ist je nach Appetit nach oben beliebig erweiterbar. Wir bemühen uns diesbezüglich schon recht ordentlich und sitzen sogar am Abend des 2. November hartnäckig im Schanigarten. Die genussvolle, gemeinsame Mahlzeit haben wir uns vor der abschließenden 3. Etappe auch verdient.
Der Name ist Programm: Der Monteferrato ist ein Berg aus Stein, bedeckt von einem Wald ohne Bäume. Bäume sind hier Einzelgänger oder versammeln sich höchstens zu Kleingruppen. Dafür verstellen Büsche und Dickichte immer wieder den Weg und die Sicht in diesem offenen Gelände. Steine und noch mehr Steine erschweren das Laufen. Einige trockene, aber teilweise recht tief eingeschnittene Bachläufe machen das Routenwahlthema zu einem solchen. Trotzdem hätten sich manche eine längere Langdistanz gewünscht. In manchen Kategorien hat der Bahnleger…. aber das hatten wir ja schon. Abgesehen von der Laufzeit lieben wir außergewöhnliches Gelände wie dieses.
Italienerinnen und Italiener lieben also dies & das und vor allem viel davon. Fußball, Radfahren, Autos und Autofahren. Was sie nicht lieben: Dich als Fußgänger oder Fußgängerin aus der Lenkrad-Perspektive zu sehen. Der Zebrastreifen ist in Italien kein Schutzgebiet. Die weißen Markierungen sind eher eine Art Zielleitsystem. Wir lernen die Regel Nummer 1: Beharre nie auf dein Recht als bevorzugter Verkehrsteilnehmer. Sonst ist Schluss mit dem dolce vita. Und mit unserer Liebe zu Italien auch. Grande amore finito.